Lea Goldberg

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David Eldan: Lea Goldberg (1946)

Lea Goldberg (hebräisch לאה גולדברג; geboren am 29. Mai 1911 in Königsberg i. Pr.; gestorben am 15. Januar 1970 in Jerusalem) war eine litauisch-israelische Dichterin, Schriftstellerin, Übersetzerin, Literaturwissenschaftlerin und Kinderbuchautorin. Sie gehörte zu den führenden Intellektuellen Israels. Sie sprach sieben Sprachen und übersetzte zahlreiche Werke europäischer Autoren in die hebräische Sprache.

Goldberg entstammte einer Familie litauischer Juden aus Kaunas im Russischen Kaiserreich. Ihre Mutter reiste jedoch nach Königsberg in Ostpreußen, um die Tochter unter besseren medizinischen Umständen zur Welt zu bringen. Im Ersten Weltkrieg wurde die Familie nach Russland deportiert. Dort wurde ihr Vater Avraham Goldberg (Lebensdaten unbekannt) wegen des (unbegründeten) Verdachts auf Spionage so schwer misshandelt und gefoltert, dass er mit bleibenden seelischen Problemen belastet war. Sie führten zur Scheidung seiner Ehe.[1]

Nach der Oktoberrevolution kehrte Lea nach Kaunas zurück, wo sie das hebräische Gymnasium besuchte und Hebräisch und Deutsch lernte. Nach dem Abitur studierte sie an der Universität Litauens semitische Sprachen, Geschichte und Pädagogik. Sie wechselte an die Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin und wurde 1933 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zur Dr. phil. promoviert, mit einer Arbeit über die Handschriften des Samaritanischen Targums – der Übersetzung des Samaritanischen Pentateuchs ins Aramäische.[2] 1935 ging sie in der Alija nach Tel Aviv im Völkerbundsmandat für Palästina ein, wo sie als literarische Beraterin des Nationaltheaters Habimah arbeitete. Außerdem wurde sie Mitarbeiterin der Verlagsgesellschaft Sifriyat Po'alim sowie der Zeitungen Haaretz, Davar und Al Ha-Mishmar. Sie gehörte wie beispielsweise auch Moshe Lifshits, Israel Zmora und Jocheved Bat-Miriam zur Shlonsky Gruppe, einem Zusammenschluss zeitgenössischer israelischer Dichter um Avraham Shlonsky. 1954 avancierte sie zur Dozentin an der Hebräischen Universität Jerusalem und leitete ab 1963 die dortige Abteilung für vergleichende Literaturwissenschaften.

Ihre Mutter Tsila Goldberg (1885–1982) war ihr 1936 nach Palästina gefolgt. Der Vater war in Litauen geblieben. Mutter und Tochter lebten zusammen, bis Lea Goldberg im Alter von 58 Jahren einer Krebserkrankung erlag.

Lea Goldberg 1964

Schon als Schülerin publizierte Lea Goldberg hebräische Gedichte. Später wurde sie eine vielseitige Autorin, die sowohl Lyrik, Literaturkritiken, Kinderbücher, aber auch Prosa für Erwachsene verfasste. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit als Übersetzerin lag bei italienischen und russischen Autoren, zum Beispiel Francesco Petrarca und Dante Alighieri. Sie übersetzte Krieg und Frieden von Leo Tolstoi, aber auch Werke von Charles Baudelaire und Rainer Maria Rilke. Goldberg bevorzugte einen unkomplizierten Stil, dessen Bilder, wie sie es selbst in einem Gedicht beschrieb, klarsichtig und transparent sind. Vermutlich hat das zu ihrem großen Erfolg im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur beigetragen und dazu geführt, dass Generationen israelischer Kinder mit ihren Texten groß geworden sind. Ihre Bücher für Erwachsene beschäftigen sich oft mit Liebe, Einsamkeit, tragischem Scheitern, Alter und Tod. Thematisch greift sie dabei sowohl auf europäische als auch auf typisch jüdische Figuren und Bilder zurück.

Lea Goldberg war eine vielseitige Autorin. Ab 1935 schrieb sie mehr als 20 Kinderbücher und wohl ebenso viele Gedichtbände und Bücher für Erwachsene. Als Beispiele seien Shibolet Yerukat ha-Ayin, Ba'alat Ha-Armon, At Telchi ba-sadeh sowie Dan Ve-Dina Metaylim be-Tel Aviv, Harpatkah Ba-Midbar und Ma Nishkaf be-Haloni genannt. Ihre Werke wurden in mehr als 25 Sprachen übersetzt, darunter Englisch, Spanisch, Deutsch, Russisch, Polnisch, Koreanisch, Telugu, Tamil und viele weitere Sprachen Indiens.

Briefe von einer imaginären Reise

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Das Buch Briefe von einer imaginären Reise (1937; hebräisch מכתבים מנסיעה מדומה) ist einer der wenigen Texte Goldbergs, die in deutscher Übersetzung vorliegen. Es schildert die imaginäre Flucht einer jungen Frau, Ruth, vor einer unglücklichen Liebe. In der Phantasie führt ihr Weg durchs Berlin der frühen 1930er Jahre, von dort nach Brüssel, Ostende, Paris und Marseille. Ihre persönlichen Empfindungen vermischen sich mit philosophischen Betrachtungen zu Literatur und Kunst sowie Schilderungen der Zustände im Europa der heraufdräuenden Katastrophe. „So sprechen diese Briefe nicht nur von der Liebe Ruths zu Immanuel, sondern auch von der großen Liebe vieler Juden zur europäischen Kultur.“.[3]

Songs of My Beloved Country

Zwei Gedichte aus Drei Lieder am Ende des Weges:[5]

Lehre mich, mein Gott, zu segnen und zu beten
Des welken Blatts Geheimnis, den Glanz der reifen Frucht
Die Freiheit dann: zu sehen, fühlen, atmen,
Zu wissen, hoffen, scheitern.

Lehre meine Lippen zu segnen und zu loben
Wenn deine Zeit am Morgen und am Abend sich erneuert
Damit mein Tag nicht sei wie gestern und vorgestern
Damit mein Tag nicht zur Gewohnheit werde.

Du sagtest: Ein Tag jagt den Tag, und eine Nacht die andre
Siehe, es kommen Tage - sagtest du im Herzen
An deinem Fenster wirst du Abende und Morgen sehen
Und sagen: Es gibt nichts Neues unter der Sonne.

Und nun bist du geworden alt und lebenssatt
Gezählt sind deine Tage und vielfach abgemessen
Nun weißt du: Jeder Tag ist der letzte unter der Sonne
Und weißt auch: Jeder Tag ist neu unter der Sonne.

Werke in deutscher Übersetzung

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  • Lexikon der Weltliteratur, Alfred Kröner, Stuttgart 1995, ISBN 3-520-80702-5
  • Tuvia Rübner: „Mit dieser Nacht und all ihrem Schweigen“. Lea Goldberg (1911–1970). In: Norbert Oellers (Hrsg.) „Manche Worte strahlen“. Deutsch-jüdische Dichterinnen des 20. Jahrhunderts. Erkelenz 1999, ISBN 3-932483-07-3, S. 83–109
  • Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 / International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Saur, München 1983, ISBN 3-598-10089-2, Vol 2, 1, S. 389
  • Yfaat Weiss: Lea Goldberg. Lehrjahre in Deutschland 1930–1933. Aus dem Hebräischen von Liliane Meilinger. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-525-35099-7
  • Goldberg, Lea. In: Ernst Fischer: Verleger, Buchhändler & Antiquare aus Deutschland und Österreich in der Emigration nach 1933: Ein biographisches Handbuch. Elbingen: Verband Deutscher Antiquare, 2011, S. 97
  • Natasha Gordinsky: »Ein elend-schönes Land«. Gattung und Gedächtnis in Lea Goldbergs hebräischer Literatur, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2019, ISBN 978-3-525-37081-0.
  • Annette Wolf, Rooted and Uprooted: Leah Goldberg in Europe. In: Efrat Gal-Ed, Natasha Gordinsky, Sabine Koller, Yfaat Weiss (Hrsg.): In Thier Surroundings. Localizing Modern Jewish Literatures in Eastern Europe. Vandenhoeck & Ruprecht, 2022/2023, ISBN 978-3-666-30611-2 (digital) S. 225–233 (englisch, kostenfreier Volltext im Open Access).
Commons: Leah Goldberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Klaus Weigelt: ... in einer fremden Stadt / zutiefst zu Hause in der Fremde. Königsberger Bürgerbrief Nr. 88, Winter 2016, S. 50–51.
  2. Lea Goldberg: Das samaritanische Pentateuchtargum. Eine Untersuchung seiner handschriftlichen Quellen (= Bonner Orientalistische Studien 11). Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1935
  3. Klappentext des Buches, Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2003
  4. Reportage auf Hebräisch über die Zeremonie
  5. Aus Lieder am Ende des Weges :(שירי סוף הדרך). Übersetzung: Benutzer:Khatschaturjan
  6. auf den beiden ff. Seiten Erläuterungen der Übersetzerin